Interview with Christoph Wagner Brausewetter

Title

Interview with Christoph Wagner Brausewetter

Description

Christoph Wagner Brausewetter (b. 1929) recounts the hardships civilians endured inside a shelter, the risks involved and the fact they spent there more time there than at home. Maintains that the worst year was 1943, when aircraft were no longer able to take off and Germany lost its air supremacy. Mentions his neighbour Field Marshal Erhard Milch and how his mother got acquainted with Goering’s wife. Tells of how a bomb splinter nearly missed his baby brother and how this triggered a religious epiphany. Describes moments of humour when, waiting for the next bombing, they wondered if something had happened to the bomber crews. Narrates how he was fascinated by the searchlights forming a cross when coning an enemy aircraft and the moment he stumbled upon the shrunken corpse of an allied pilot in the Grünwald forest.

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00:08:12 audio recording

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This content has been originally published on Memoro – Die Bank der Erinnerungen, which has kindly granted the International Bomber Command Centre Digital Archive a royalty-free permission to publish it as an audio track. To see it in its original video form and read the terms and conditions of use, please visit www.memoro.org and then click on the link to the German section. Please note that it was recorded by a third-party organisation which used technical specifications and operational protocols that may differ from those used by International Bomber Command Centre Digital Archive. It has been published here ‘as is’ and may contain inaccuracies or culturally inappropriate references that do not necessarily reflect the official policy or position of the University of Lincoln or the International Bomber Command Centre.

Contributor

Identifier

Memoro#1546

Transcription

CWB: “Also jetzt geht’s über mein Erlebnis zu der Erinnerung im Luftschutzkeller. Der Luftschutzkeller war ja jahrelang ein Ort, wo man mehr Zeit verbringen konnte als in der eigenen Wohnung und eine ganz besondere Situation über die ich noch nirgendwo im Roman oder in Literatur etwas wirklich adäquat beschreibendes gefunden habe, aber vielleicht gibt’s irgendwo, ich kenn’s noch nicht. Also der Luftschutzkeller ist ein Raum in den man höchst unfreiwillig als Hausgemeinschaft eben getrieben wird durch ein Signal, nämlich die Sirene. Wenn man das nicht befolgt hat man noch mehr Risiko, nämlich in der Wohnung sozusagen von Bomben umgelegt zu werden, aber das Risiko natürlich im Luftschutzkeller ist auch sehr erheblich denn man kann ja verschüttet werden, man muss auf ängstem Raum sogar mit Sauerstoffmangel, muss man da mit Leuten, mit dem [sic] man vielleicht verfeindet ist, Deutschland ist ja das Land der Nachbarschaftsprozesse weltweit führend, zu unser Schande sei es gesagt, zur Schande der Rechthaber und Kleingärtner. Und da ist also im Luftschutzkeller eine besondere Atmosphäre, und ganz generell ist mir schon als Kind aufgefallen, das sich im Krieg die Geister scheiden. Der Krieg ist vielleicht [emphasises] leider nötig, damit die Leute sich entscheiden. Jetzt in diesen Friedenszeiten leben alle so nebenander her und zeigen unsere spitze Ecken und Kanten nicht, aber im Luftschutzkeller kommt eben alles raus, das ist eine Kathartische Situation. Da war ich also gerade dreizehn, den mit dreizehneinhalb kam ich weg aus Berlin im Rahmen der Kinderlandverschickung. Also mit dreizehn Jahren und naturlich mit zwölf schon auch, aber ganz besonders schlimm war es 1943, als nämlich Deutschland die Lufthoheit verlor. Wir hatten kein Öl mehr als Bargut, dass heißt, unsere Flieger, unsere Abwehrflotte wie auch unsere Angriffsflotte waren zwanzig Jahre voraus, das habe ich jetzt in [unclear] gelesen technisch, aber sie konnten nicht mehr starten. Dass heißt, wir haben die Lufthoheit verloren, das war eine ganz bestimmter Tag. Plötzlich konnten die [unclear] ungehindert einfliegen und dann hat dieser Englische Luftmarschall den Befehl gegeben eben, als Vergeltung auf die V-Waffen, die Vergeltung auf die Vergeltungswaffen, nichts mehr zu schonen, dann fing tatsächlich der Terrorkrieg an und ja zu unseren Ungunsten. [part missing in the original file] Also diese Situation des Luftschutzkellers die ist so unvergesslich und hat sich mir so eingeprägt, nun ist ja das Alter von dreizehn Jahren auch eine Prägezeit, es ist ja auch der Beginn der Pubertät, man ist hell wach in jeder Beziehung, weiss noch nicht genau was in der Welt los ist. Wir hatten im Haus auch berühmte Leute, zum Beispiel war da der Feldmarschall Milch, der einzig jüdische General der Deutschen Wehrmacht, der ja von, also der Name ist ja ganz klar Milch, ich habe ihn auch ganz gut gekannt, vom Fahrstuhl und vom Luftschutzkeller, sehr netter Mensch, der war ja derjenige wo Goering dann gesagt hat, “wer Jude ist bestimme ich”, weil Himmler den abschiessen wollte. Es war ja ein erbitterter Kampf zwischen Goering und Himmler. Und im Übrigen war meine Mutter mit der Frau von Goering befreundet weil die Emmy Sonnemann eben eine Schauspielerin war zur Zeit meiner Mutter da waren die Kolleginen. Wir hatten also einen Draht zu Goering, der war aber nicht benutzt, einmal versucht, es ging dann schief. Also im Luftschutzkeller dann haben sich die Geister geschieden, worüber geredet wurde, und es war eine richtige Todesangst da, denn jedes Mahl wenn der Alarm zu Ende war, ging man raus und musste erstmal prüfen ob man verschüttet war und am Schluss war ja auch alles kaput, nur wir kamen noch raus und zum Teil fielen noch Bombensplitter während auch schon Entwarnung war. Und ein Bombensplitter viel mal direkt vor meinem kleinen Bruder, der war damals ein Baby, nieder, und da hatte ich wieder so’n religiöses Erlebniss, also er soll weiterleben, und der lebt ja auch heute noch und ist mein lieber Bruder, [unclear] zwölf Jahre junger in Brüssel. Und in den Keller dann, das hat man mir erzählt, ich erzähle etwas indirekt, was mir viele Leute erzählt haben aber ich habe festgestellt das besonders wenn man etwas Gutes tut, wenn man etwas mit ganz reinem Gewissen tut, was so durch einen hindurchfliesst, und gar nicht im Umweg über’s Gehirn geht, das man das dann vergisst weil es offensichtlich inspiriert ist und man ist in irgendeinen Lebensfluss oder Heilstrom angeschlossen. So war das auch, jedenfalls hat man mir berichtet, das ich reihe um gegangen bin und die Leute getröstet habe, also ganz bedeutende Leute die im Keller dann eben ihre Angst durchbrechen liessen. Und dieses Erlebnis, also diese erzwungene Gemeinschaft, die Leute die nichts gemeinsam haben außer der Adresse und dann diese notdürftig abgestützten luftschutzkeller, die auch nicht viel aushalten und diese Stimmung und das lustigste war noch, wenn die Sirene tönte, am Schluss haben wir uns ja gar nicht mehr ausgezogen, weil es sich nicht lohnte, wir haben uns in Kleidern auf’s Bett gelegt um schneller im Keller zu sein und wenn dann eines Tages mal keine Flieger kamen oder nicht wie damals neun, halb zehn Uhr Abends dann mit den Berliner Witz, haben sich die Leute im Treppenhaus versammelt und haben gesagt: “Ach Jotchen, ach Jotchen, et wird Ihnen doch nischt zujestoßen sein”, nicht, also dass man sich dann noch um die Alliierten sorgt, ob diese Flieger da ankommen. Faszinierend war’s die Scheinwerferkegel, das ist für mich ein Gleichnis der Erkenntnis geworden. Da kamen also die Flugzeuge und ein Scheinwerfer hat den erfasst und wieder verloren und dann hatt man einen Kegel gebildet und der Kegel wurde zum Kreuz und dann konnte das Flugzeug abgeschossen werden. Das ist für mich ungeheuer sinnbildlich, das habe ich mir angeguckt, das fand ich faszinierend. Und eines Tages bin ich im Grunewald spazieren gegangen, wir wohnten nicht weit weg davon, und da sah ich etwas, was ich auch nie vergessen werde. Ich sah in Puppengröße, also etwa ein Meter, sah ich einen Alliierten Piloten, völlig eingeschrumpft, wie also in einer Maschine eingeschrumpft, aber alles war erkennbar, Gesicht und alles, und dann habe ich mir nachher von Physikern erklären lassen, ich hab das verboten, Entschuldigung, ich hab das vergessen, verloren, was es für eine Erklärung war, jedenfalls habe ich diesen eingeschrumpften Piloten da gesehen. Und eine Sache erinnere ich mich auch noch, wir hatten ganz getrennt immer alles was mit Bad und Toilette zu tun hatte von unseren Eltern, und einmal da war es so dringlich das meine Mutter reingekommen ist und sagt “Kinder guckt mal weg” und hatt sich dann auf’s Kloh gesetzt ohne das wir zugeguckt haben, aber jedenfalls das meine Mutter in meiner Gegenwart, damals dreizehn Jahre alt, sozusagen, pinkelte das war für mich auch so ein Erlebnis was ich nicht vergessen werde, es hat ja eine gewisse Vertrautheit hergestellt. Ja, das sind also eingeprägte Erinnerungen, die eigentlich ganz stark sind, nicht, die, kann man mich nachts wecken und ich kann das alles noch erzählen.”

Citation

“Interview with Christoph Wagner Brausewetter,” IBCC Digital Archive, accessed April 27, 2024, https://ibccdigitalarchive.lincoln.ac.uk/omeka/collections/document/71.

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