Interview with Burckhard Kuck

Title

Interview with Burckhard Kuck

Description

Burckhard Kuck (b. 1925) tells the story of a 63-year-old mirror, a present from his fellow inmates when he was detained in a prisoner of war camp in England. Emphasises how the object reminds him of the lack of mirrors in the camp and of the fact life can suddenly change for the worse. Chronicles his detention in a hospital near Liverpool: learned to speak English by reading an old newspaper with the help of a pocket dictionary; used a makeshift notebook made of discarded medical reports held together by medical tape; read the news to his fellow inmates. Narrates his relocation to Marbury Hall on 8 May 1945 and tells anecdote of camp life: inmates making tools from scrap metal; detainees lecturing on bookkeeping, shorthand, and biology; staging of Goethe’s Faust.

Date

2012-08-17

Temporal Coverage

Coverage

Language

Type

Format

00:10:12 audio recording

Rights

This content has been originally published on Memoro – Die Bank der Erinnerungen, which has kindly granted the International Bomber Command Centre Digital Archive a royalty-free permission to publish it as an audio track. To see it in its original video form and read the terms and conditions of use, please visit www.memoro.org and then click on the link to the German section. Please note that it was recorded by a third-party organisation which used technical specifications and operational protocols that may differ from those used by International Bomber Command Centre Digital Archive. It has been published here ‘as is’ and may contain inaccuracies or culturally inappropriate references that do not necessarily reflect the official policy or position of the University of Lincoln or the International Bomber Command Centre.

Contributor

Identifier

Memoro#462

Transcription

BK: In unserem Wohnzimmer hängt ein solcher Spiegel [emphasises] [takes a small mirror]. Dieser Spiegel hat Geschichte. Er ist jetzt vierunsechzig Jahre alt, nein dreiundsechzig, und er stammt aus England [emphasises]. Vor dreinundsechzig Jahren war ich in England in einem Gefangenenlager. Wir hatten im ganzen Lager keinerlei Spiegel. Im Lager arbeiteten viele der Gefangenen ausserhalb und zwar auch im Schloss nebenan, in dem Englische Wachmanschaften wohnten und da passierte einen dieser Gefangenen das Missgeschick, dass ihm ein Hammer in einem grossen Kristallspiegel in dem Schloss fiel und die ganzen Scherben runterfielen und das war dann der Beginn, das Ende der spiegellosen Zeit in diesem Lager, denn ein Kumpel der unter mir wohnte, oder unter mir schlief in unserer Baracke der fünfzehn Menneken waren, der hat mir diesen zum Andenken geschenkt und da hatte ich einen Spiegel, konnte mich rasieren, damals rasierte ich mich noch, heute ist es das nicht mehr denmassen nötig wie man sieht. Und dieser Spiegel erinnert mich immer wieder dran, darum hängt er im Wohnzimmer, dass es auch anders kommen kann, dass es mir schlechter gehen kann, dass ich nicht immer so leben darf oder dass es sein kann dass es schlechter wird. Und Ich bin nämlich im Jahre ‘44 in Frankreich verwundet worden, kam in Englische Gefangenschaft nach England rüber, wurde in einem Krankenhaus in Liverpool ein halbes Jahr lang sehr gut behandelt, dadurch ist mein Bein gerettet worden, das vermutlich in den Kampfhandlungen in Deutschland sicher kurzerhand abgeschnitten worden wäre. Diese Zeit ist mir unvergesslich denn dort habe ich auch Englisch gelernt, das passierte so, das ich im Bett lag, ich war im Beckengips, konnte nicht aufstehen, gar nichts, und eine alte Zeitung, die die Schwestern dort hatten, die haben sie mir gegeben, die habe ich obwohl ich kein Wort Englisch konnte als ich in die Gefangenschaft kam habe ich einfach von vorne bis hinten durchgelesen und da ich ja nun ein Jahr in Frankreich war als Soldat, hatte ich noch ganz gute Französischkenntnisse, wenn man das mit Deutsch kombiniert dann kann man das meiste Englisch raten und das habe ich auch gemacht und auf die Weise habe ich die Sprache gelernt. Eine Schwester die borgte mir ein kleines Wörterbuch, so’n Taschenwörterbuch, weil sie nun mit Deutschen Gefangenen auch zu tun hatte und das habe ich von vorne bis hinten durchgelesen. Ich erinnere mich noch das erste Wort das ich mir aufgeschrieb in einen kleinen Heftchen das aus alten Krankenblättern von den Schwestern mit Leukoplast zusammengeheftet war, das erste Wort war [unclear] der Unterlagen. Und so habe ich mir alle Worte die mir wichtig erfielen aufgeschrieben und habe dann ganz systematisch gelernt. Die Grammatik ergibt sich automatisch wenn man oft genug liest, wenn man eine Sprache immer wieder [unclear] in einem Zusammenhang liest, dann erschließt sich auch der inhalt der Worte, der Charakter der Worte, wenn man ein Wort zwanzig Mal geraten hat dann weiß man ungefähr was es bedeutet und nun lagen neben mir zig andere Gefangene in einem Lager, in einem Raum waren es mal fünfzig Gefangene oder fünfzig Pazienten, im anderen waren es nur zweiundzwanzig, und die fragten mich dann [part missing in the original file] 1945 nachdem ich also schon zwei Monate mich mit dem, mit der Sprache beschäftigt hatte, ‘ja was liest du denn da eigentlich’, dann habe ich den gesagt, ‘was jetzt alles in der Welt passiert’, dann must du uns da mal was vorlesen, dann habe ich jeden Tag eine Zeitungs [unclear] ein und hatte das große Glück das kein Lehrer mir über die Schulter schaute und gefragt hatte ist es richtig oder ist es falsch. Und auf die Weise habe ich denen jeden Tag, wir waren ja alle gespannt, wie geht der Krieg weiter, ist er bald zu Ende undsoweiter, wir hatten ja keinerlei Nachrichten von Zuhause. Unsere Familie die wusste auch zuerst gar nicht wo wir sind, wir waren als vermisst gemeldet und erst als ich zurückkam, ja, anderthalb Jahre später nach Deutschland aus der Gefangenschaft da habe ich überhaupt erst alles erfahren was alles bei uns passiert ist, dass meine Eltern zum Glück noch lebten, dass mein Bruder gefallen war und mein jüngerer Bruder lebte auch noch. Dieses Sprachenlernen das war im Krankenhaus. Als ich aus dem Krankenhaus rauskam, es war ein historischer Tag, der achte Mai ’45, kam ich in ein Lager in der Nähe von Liverpool, Marbury Hall hieß das und zwar ist das in einem Schlosspark gewesen. Dieser Schlosspark war mit Stacheldraht umgeben das waren in rollen also übereinander zehn Meter [part missing in the original file] und von Zeit zu Zeit war ein Wachturm, wo Englische Posten drauf waren und da waren insgesamt zwei Teillager mit je zweitausend, also viertausend Man drin und dieses Lager war zum grossen Teil von gesunden Gefangenen aber auch von einem kleinen Teil Verwundete. Die Gesunden, die gingen raus, wurden jeden Tag rausgeführt zur Arbeit immer in fünfer Reihen so das also zwei Mann schnell zählen konnten wie viele es sind und die haben also in Liverpool im Hafen gearbeitet, oder sie haben auf dem Lande gearbeitet, und bei Bauern gearbeitet undsoweiter. Und immer wenn sie irgend etwas fanden das man eventuell verwenden konnte, haben sie das mitgebracht und das haben wir dann, haben die Verwundeten geerbt und haben daraus sich Sachen gebastellt. Zwar hatten wir offiziell keine Werkzeuge aber das wurde nach und nach gemacht aus einem Draht. Wir hatten Feldbetten übereinander immer und da war ein Draht der so rüberging von einer Seite zur anderen, oder ein Eisenband, und das wurde rausgetrennt und daraus wurde eine Säge gemacht, da hat einer stundenlang oder tagelang mit einer Nagelfeile dieses Band bearbeitet bis eine Säge zusammenhatte. Ein anderer hat aus einem alten, einer kaputten Autofeder ein Hobeleisen gemacht. Vorher musste er natürlich erstmal Schleifsteine sich gestalten und da hat er dann zwei Steine übereinander gerieben stundenlang, tagelang, bis er zwei Schleifsteine hatte und auf denen hat er dann diese Autofeder solange geschlieffen bis er ein wunderbares Hobeleisen hatte. Aus einem Holzklotz dann das übrige Teil des Hobel zu bauen das war dann sicher kein Problem mehr. Und diese Leute die haben mir dann eben auch aus den Scherben diesen Spiegel zusammengebastellt der für mich eine bliebende Erinnerung ist. Ich habe zwar nicht dort viel gearbeitet. Vielleicht noch eine Ergänzung. Ich habe dort Buchhaltung gelernt, ich habe Stenographie gelernt denn da war unter uns Verwundeten ein Diplom Kaufmann, der dann Unterricht gehalten hat und wer Interesse hatte konnte dann dahinkommen und da habe ich also die Grundlagen der Betriebswirtschaft dort kennengelernt. Hat für mein späteres Studium hat mir das sehr geholfen. Und dann noch wurden abends auch gelegentlich Vorträge gehalten, zum Beispiel hat ein Export Kaufmann, der als Gefangener war, erzählt von seinen Reisen die er vor den Krieg in der ganzen Welt gemacht hatte oder ein Apotheker hat über Kreuter Heilverfahren was erzählt und eines Tages hat dieser Apotheker einen Bericht gemacht wurde [unclear] am schwarzen Brett das er über die Frage Bub oder Mädl, die Bestimmung des Geschlechts [unclear]. Und sonst haben wir diese Vorträge waren in einer kleinen Baracke aber dieses mal war die Baracke, reichte nicht, da war ein so grosser [unclear] das wir im Speisesaal, in einer Speisesaalbaracke diesen Vortrag hielt und er hat uns da aufgeklärt über die Methode und zwar das nach einer langeren Enthaltsamkeit werden meistens Buben geboren, und sonst eben Mädchen. Oder auch den Faust haben wir dort erlebt, das eine Gruppe Goethe’s Faust den ersten Teil gespielt hat, die haben monatelang geprobt und geübt, und sogar die Frauenrollen wurden von Gefangenen in der wunderbarer Verkleidung und so überzeugend dargestellt das das mir das die interessanteste Theateraufführung meines Lebens geblieben ist.

Citation

“Interview with Burckhard Kuck,” IBCC Digital Archive, accessed March 19, 2024, https://ibccdigitalarchive.lincoln.ac.uk/omeka/collections/document/72.

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