Interview with Hubert Draegert

Title

Interview with Hubert Draegert

Description

Hubert Draegert remembers his wartime experiences, first in Berlin and then as an evacuee at his uncle’s farm near Wroclaw. He mentions the bombing of the Berlin State Opera and the repeated efforts made to rebuild the gutted building. He remembers the 3 February 1945 bombing, stressing how his neighbourhood was not heavily damaged. He tells of his brother who was drafted as a Luftwaffenhelfer with all his classmates. As a radio operator, his brother listened to the BBC and was therefore always up-to-date on the course of war. Herr Draegert mentions various episodes of his own life as an evacuee: Polish foreign workers; his mother digging trenches as the Russians approached; being reproached by a police officer for spreading defeatist stories at school. He remembers collecting bomb fragments and strips of tinfoil window so as to trade them with other children. He mentions his father working in a Jewish bank before being drafted into the Navy in 1943 and his father's subsequent time as a prisoner of war near Leeds, where he was treated humanely. Hubert Draegert reminisces about the time spent in the shelter with his mum, stressing the sense of safety it provided. He describes the effects of incendiaries on civilians and emphasises how the bombing didn’t turn the population against the regime and were therefore a failure, although factories and transport hubs were, in his eyes, legitimate targets. He describes blackout measures; food rationing; firefighting with domestic implements; and the opportunistic behaviour of civilians. He recollects British soldiers impounding pianos. He reflects on the bombing war, stressing the gap between scholarly interpretations and eyewitness accounts. He emphasises that targets were not always chosen according military priorities but rather the Allies’ post-war agenda.

Creator

Date

2018-02-09

Temporal Coverage

Language

Type

Format

01:13:00 audio recording

Rights

This content is available under a CC BY-NC 4.0 International license (Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0). It has been published ‘as is’ and may contain inaccuracies or culturally inappropriate references that do not necessarily reflect the official policy or position of the University of Lincoln or the International Bomber Command Centre. For more information, visit https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ and https://ibccdigitalarchive.lincoln.ac.uk/omeka/legal.

Contributor

Identifier

ADraegertH180209

Transcription

PS: Bevor wir anfangen, bitte ich Sie folgende Fragen zu beantworten, damit wir sicher sind, dass dieses Interview nach Ihren Wünschen sowie den Bedingungen unserer Sponsoren gemäß registriert wird. Sind Sie damit einverstanden, dass dieses Interview als eine öffentlich zugängliche Quelle aufbewahrt, die für Forschung, Erziehung, online und in Ausstellungen verwendet werden kann? Ja oder nein?
HD: Ja.
PS: Gut. Das dieses Interview unter einer nichtkommerziellen Creative Commons Attributionslizenz, die mit den Buchstaben CC-BY-NC das bedeutet das sie nicht für kommerzielle Zwecke benutzt werden darf, öffentlich zugänglich gemacht wird? Ja oder nein?
HD: Ja.
PS: Danke. Das dieses Interview an sie zurückzuführen ist? Ja oder nein?
HD: Was heisst zurückführen?
PS: Ja, dass Sie der Author.
HD: Ach natürlich, ja, klar, wer sonst. Ja.
PS: Und dann noch, sind Sie bereit, der Universität das Copyright Ihres Beitrags zur Verfügung zu stellen, damit es zu jedem Zweck verwendet wird, aber dass das Ihr moralisches Recht, als Urheber des Interviews nicht in Betracht nehmen wird nach dem Copyright, Design und Patents Act vom Jahr 1988 gemäß, damit Sie identifiziert werden.
HD: Ja.
PS: Ja?
HD: Ja.
PS: Danke. Jetzt, also, dieses Interview wird für das International Bomber Command Digital Archive durchgeführt. Der Interviewer ist Peter Schulze, der Befragte ist Herr Hubert Draegert. Heute ist der 9 Februar 2018. Ihr Interview wird Teil des International Bomber Command Digital Archive, das bei der Universität Lincoln untergebracht und vom Heritage Lottery Fund finanziert wird. Also, also, lieber Herr Draegert, konnen Sie mir erstmal was von Ihren, von Ihrem Haushalt erzählen, von Ihrer Familie, die, sagen wir, die ersten Erinnerungen die Sie haben.
HD: Also, die ersten Erinnerungen sind im Grunde genommen 1941, als mein Vater, der war da noch nicht Soldat, der wurde erst 1942, als mein Vater mit mir in die Innenstadt, also in die Mitte Berlins ging, um uns anzuschauen wie die Staatsoper Unter den Linden abbrannte oder die war getroffen. Die Staatsoper war eines der ersten Gebaüde mit die in Berlin getroffen wurde und weil mein Vater Musikliebhaber war, hatte der natürlich, jetzt ist er auf die Idee gekommen, dass müssen wir uns angucken. Mal Zwischenfrage, nehmen Sie das jetzt irgendwie auf oder schreiben Sie mit?
PS: Nein, nein, es wird aufgenommen.
HD: Wird aufgenommen, also kann ich flüssig reden.
PS: Ja, ich wollte noch eine Sache hinzufügen.
HD: Bitte.
PS: Wenn sie hören dass ich schweige, das Wichtige ist dass man Ihre Stimme hört und nicht meine.
HD: Aha.
PS: Also, lassen Sie ruhig die Erinnerungen empor.
HD: Fließen, ja. Ok. Also zurück, wir haben besichtigt 1941 den, praktisch die Zerstörung der Staatsoper Unter Den Linden aber das war zu der Zeit noch ein aussergewöhnliches Ereignis, so dass also viele Berliner sich diese Kriegschäden ansehen. Ich erinnere auch einen weiteren Bombenschaden in Kreuzberg, wo mein Vater auch noch mit mir mal hinging, wo ein Eckhaus getroffen wurde und viele Berliner nun also staunten über diese Schäden. Das hat sich natürlich mit der Zeit gegeben als dann die Zerstörung immer mehr Überhand nahm, und das also, sagen wir mal, zum täglichen Lebensablauf gehörte. Die Staatsoper ist insofern interessant, weil Hermann Göring, der damalige Chef der Deutschen Luftwaffe und Chef hier in Berlin, der Ministerpresident des Staates Preußen nun alles dransetzte um dieses Opernhaus, das seiner Aufsicht unterstand, sofort wieder aufzubauen und nun ist was besonderes passiert dass, trotz des Krieges, haben die Nazionalsozialisten alles dran gesetzt dieses Opernhaus wieder aufzubauen, es wurde 1942 in einem Gewaltakt wieder fertiggestellt. Ich erzähl das deswegen weil mein Vater, wie eingangs gesagt, Opernliebhaber mich nun in meine erste Oper schleppte. Das muss also praktisch 1942 gewesen sein, ich war sechs Jahre alt. Ich kann mich an Inhalt wenig erinnern aber ich rieche noch heute den frischen Putz in dem Opernhaus und die Deckengemälde waren auch nicht komplett ausgeführt, es roch alles nach frischem Mörtel, nach frischer Renovierung. Das Ende dieser Oper geschah dann spätestens 1944, wurde sie wieder getroffen und am 3 Februar 1945 war ja der größte Angriff der glaub ich jemals auf Berlin geflogen wurde, wo die ganze Innenstadt in Schutt und Asche ging, zum Beispiel das Berliner Schloss, das jetzt wieder aufgebaut wird, allerdings nur in den aüßeren Formen, aber als grosses Museum eines Tages in Berlin sicherlich ein Höhepunkt darstellt, das war der schlimmste Angriff und auch an den habe ich noch Erinnerungen. Jetzt mache ich erstmal ein Punkt.
PS: ich wollte Sie zurückbringen,
HD: Ja?
PS: Wollten Sie jetzt etwas schon hinzufügen?
HD: Neh, sagen Sie mal jetzt.
PS: Ich wollte Sie Moment noch zurückbringen zu ihrer Familie. Ob Sie mir ein Bißchen erzählen konnen, wo Sie geboren sind, in welchen, in welcher Umgebung Sie aufgewachsen sind und, Vater, Mutter, Geschwister?
HD: Ja, sage ich ganz gerne. Also, ich bin geboren 1936, in Berlin. Wir wohnten im Norden Berlins, im Afrikanischen Viertel, wir hatten eine Dreizimmerwohnung, mein Vater war, [unclear] man sagte damals, Bankbeamte, er lernte in einem Jüdischen Bankhaus in Berlin und insofern war er eigentlich so geprägt dass er nicht in der NSDAP drin war, sondern eben durch diese, durch seine Tätigkeit offensichtlich politisch ein wenig informierter war als manch ein anderer aber er musste dann in ein anderes Bankhaus wiel das Jüdische Bankhaus ja aufgelöst wurde. Wir, mein Bruder ist 1928 geboren, der ist 1944 wurde der Luftwaffenhelfer, dass heisst also mit sechzehn Jahren, fufzehn Jahren glaub ich, wurde der zur Flak eingezogen in Berlin, dass heisst die ganze Klasse wurde eingezogen und ging mit dem Lehrer in eine Geschützbatterie in Berlin-Tegel, wo ich ihn dann als Kind auch besuchte. Meine Mutter war Hausfrau und wir lebten relativ friedlich bis 1943, wo mein Vater eingezogen wurde. Mein Vater ist, hat den Krieg überlebt, er sass in Dänemark und ist dort von den Britischen Truppen in Gefangenschaft genommen worden und hatt seine Kriegsgefangenschaft in England erlebt, in Leeds. Und es gibt die schöne Geschichte von dem Englischen Verhöroffizier der ihn fragte: ‘Sagen Sie mal, Herr Draegert, haben Sie Kinder?’, ‘Ja’, ‘Wie viel?’, ‘Zwei’, ‘Geboren wann?’, ‘1928 und 1936’, Und da sagte er mit einem lächelnden Blick, so erzählte es mein Vater immer: ‘Aha, Herr Draegert, dann haben Sie ein Kind für den Führer gezeugt’. Damit war also klar das [laughs], aber wie gesagt, das Ganze war irgendwo so, dass er eigentlich, als er 1947 nach Berlin zurückkam, gesund aussah, also das ganze gegentiel von dem was man so sah, wenn die armen Kriegsgefangenen aus den östlichen Landern zurückkamen, also sprich Sowjetunion. Ja, mein Bruder, wiegesagt, im, also Luftwaffenhelfer, unsere Wohnung ist nur leicht beschädigt worden, dass hiesst bei den ersten Luftangriffen sind alle Fensterschieben raussgeflogen und ich erinnere noch wie ganze Kolonnen von Glassfirmen bei uns um das Haus sich aufstellten, das war so ein langer Siedlungsblock und es wurden die Scheiben wieder eingesetzt, man wunderte sich warscheinlich ein bisschen, wo man die Hoffnung her nahm, das nur die neuen Scheiben das überleben wurden, es dauerte auch gar nicht lange, war der nächste Angriff da flogen die Scheiben wieder raus und meine Eltern hatten da irgendeinen Herrn in der Familie der uns dann die Fenster mit Pappe oder mit Brettern vernagelte. Es musste ja auch, und das ist meine Kindheitserinnerung, immer scharf drauf geachtet werden, das die Verdunkelung eingehalten wurde, dass heisst wir hatten vor allen Fenstern Rolleaux aus schwarzer Pappe, die abends rechzeitig runtergemacht werden mussten, damit die feindlichen Flieger kein Licht sehen sollten. Es passierte natürlich, dass meine Mutter mit mir irgendwann unterwegs war, ausserhalb Berlins und wir vergessen hatten im Badezimmer das Licht zu löschen, dass heisst in dem Riesenblock war ein Badezimmer, Fenster waren ja relativ klein, was nun nachts hell leuchtete und gross, grosser Ärger, der Blockwart machte meiner Mutter natürlich große Vorwürfe, sowas darf nicht passieren und man hat dann aus der über uns liegenden Wohnung versucht, mit einen langen Teppich es aussen abzudunklen, damit also der Lichtschien die Flieger nicht also auf eine Spur lockt. Das sind so Sachen die ich als Kind immer erlebt habe, andererseits war auf dem Hausflur war immer, standen immer Wassereimer und Beutel mit Sand und die sogenannte Feuerpatsche, ein Begriff der damals neu war, dass heisst irgend einen Stiel mit einen Lappen an und der sollte dann in den Eimer getunkt werden um das möglicherweise entstehende Feuer auszuschlagen, das haben wir nie benutzen brauchen, wir hatten nur eine einzige Stabbrandbombe, die oben durch die Wohnung durchging, das war so eine rechteckige mit einen Eisenkern, die waren uns damals sehr vertraut und wir Jungs sammelten auch Bombensplitter, unter anderem auch diese Eisenkerne. Und diese Bombe schlug auch durch unsere Decke, guckte bei uns oben in der Decke raus und ein behertzter Mann versuchte sie von oben rauszuziehen, übersah dabei dass ein Brand, ein Explosiv-stoff drin war, dass heisst der Mann verblutete in dem Moment und das war eigentlich so die schrecklichste Erinnerung die so unmittelbar ich erlebt habe. Aber ein Feuer enstand nicht, im Endeffekt ist also die Wohnung erhalten geblieben nur durch den zunehmenden Andrang der Bombenangriffe auf Berlin hiess es ja, Müttern mit Kindern, wenn sie nicht gerade in der Produktion wichtig waren, sollten evakuiert werden, dass heisst aufs Land. Und wir hatten dann die Möglichkeit, nach Schlesien, in der Nähe von Breslau, einen Bauernhof zu finden, wo ein entfernter Onkel lebte, und der nahm uns auf und so habe ich, Ende ‘43 bis Ende ’44 in Schlesien gelebt als Kind, im Prinzip sehr friedlich denn man sagte immer, bis dahin kommen die Engländer nicht, oder die Amerikaner. Und so war es wohl auch, es waren nur eigentlich wenige Bombenangriffe auf Breslau und man wusste auch nicht genau oder ich kann es heute nicht sagen, ob es nicht auch Russische Angriffe waren. Jedenfalls man war dort sicher, man lebte dort im Grunde genommen in Frieden und wir fuhren nur ’44, Ende ’44 nach Berlin zurück, um immer mahl zu gucken, steht die Wohnung noch? Es war ja nicht so, dass man immer telefonieren konnte und mit den Nachbarn sprechen konnte, das ging ja alles gar nicht so einfach. Also schauten wir uns die Wohnung an, die Wohnung war belegt mit anderen ausgebombten Menschen, was auch wieder zu Konflikten führten, weil meine Mutter natürlich meinte: ‘Na, wie leben die sich den hier in unserer Wohnung aus?’ undsoweiter. Aber in dem Moment wo wir Weihnachten ’44 hier in Berlin verlebten, mein Vater war natürlich in Dänemark, sass der fest an der Front, da brachen die Nachrichten doch rein oder man hörte ja auch den Englischen Sender, das machte mein Bruder mal, als Luftwaffenhelfer, der wusste damit umzugeben, [mimics the first notes of Beethoven’s 5 Symphony], also BBC und wir wussten also, oder mein Bruder wusste, dass die Russen also eine Offensive gestartet haben von der Weichsel bis an die Oder, also auf den Marsch waren. Am 16 Januar kamen sie ja dann an der Oder an, das heisst also wir kamen nicht mehr zurück nach Schlesien, meine Mutter versuchte es noch, wurde aber in Breslau von Deutschen Soldaten aufgegriffen, die ihr sagten: ‘Na, sagense mal, junge Frau, wo wollense denn hin?’, na dann sagte sie: ‘Na, ich will nach in das, dieses Dorf wo wir waren, in Juliusburg’. Da sagte sie: ‘Sie sind wohl verrückt, da sind die Russen schon’. Also kam sie wieder zurück, konnte sogar mit den Eisenbahnzug fahren, musste nicht also trekken, beziehungsweise laufen, so wie di anderen Flüchtlinge, diese schreckliche Zeit, weil’s ja auch einer der härtesten Winter damals war, im Januar, so dass sie, wir also hier in Berlin blieben, wir hatten alle unsere schönen Sachen, was man so auch hat, Silber und Besteck und Bettwäsche, das hatten wir alles nach Schlesien verlagert um es hier vor dem Bomben zu sichern aber nun war’s weg und nun, die Wohnung hatt’s überstanden aber di Sachen waren weg. So, nun waren wir wieder in Berlin und, ja, dann kam eben die Zeit wo die Bombenangriffe ja doch immer stärker wurden, 3 Februar wie gesagt ’45, einer der schwersten Angriffe. Am 26 Februar hatte ich Geburtstag, da wurde ich neun, war wieder ein schwerer Angriff, ist da als glaub ich Kreuzberg untergegangen. Des schlimme war, das sprach sich auch rum, das die Phosphorbomben die Menschen wenn sie der Phosphor sie traff, dann brannte es auf der Haut, dann ging die zum Teil in die Löschteiche, es gab so Löschteiche in Berlin, oder überhaupt, um Löschwasser für den Brand zu haben, dann tauchten die Menschen unter in diesem Wasser, und wenn sie rauskamen, brannten sie wieder, also das war eine ganz ganz fürchterliche Geschichte diese Phosphorbomben. Wir selber haben hier in unmittelbarer Nähe bei uns einmal eine Luftmine erlebt wo wir also richtig, von man so vom, von der Sitzgelegenheit so ein bisschen hochging, wo der Kalk so aus der, aus dem verstärkten Luftschutzkeller rieselte. Und als Kind hatte man natürlich Angst und die Mutter war bemüht uns zu schützen und wir hatten hier in der Umgebung in einem grossen Strassenbahnhof einen Tiefbunker für Mutter und Kind. Und dann hatten wir also eine Zeit wo wir abends so gegen acht oder weiss ich nicht, mit seinem Köfferchen halben Kilometer liefen, um in diesen Bunker einzukehren, Mutter und Kind und da konnte man schlafen und dann hörte man das auch nicht krachen aber es war immer dieses, diese Neugierde beziehungsweise die Angst wenn man um die letzte Ecke kommt [laughs] steht das Haus noch oder steht es nicht? Wie mann das so in anderen Sachen überlebt hat, ich habe dann auch gesehen, als diese Riesenluftmine die da bei uns runterging, das da hiess immer, da sind achtig Menschen ums Leben gekommen. Die ist so seitlich gegen die Mauer unten wohl eingeschlagen so dass sie den ganzen Sand, der dort als Schutzwall errichtet wurde, zur Seite und dann ist das Haus in sich zusammengestürtzt, einschliesslich Luftschutzkeller und daher diese hohe Anzahl von Toten. Ja, das sind so diese Dinge die im Augenblick, vielleicht machen wir hier mal eine Sekunde Pause und Sie fragen weiter.
PS: Ja, ich wollte Sie zum Beispiel, wir werden ein bisschen dann zurück kommen auf das was Sie mir jetzt kürzlich erzählt haben. Ich wollte wieder noch zurück gehen, zum Beispiel,
HD: Ja?
PS: Sie sagten Sie sind im Afrikaviertel.
HD: Afrikanisches Viertel. Ja?
PS: Können Sie mir ein bisschen erzählen, warum das eben so, diesen Namen trägt, trug und wie das Leben in dem Viertel war?
HD: Also, das ist eine Gegend im Nord-westen Berlins, das ist in den Zwanziger Jahren, Ende Zwanzig, Anfang Dreissig, gebaut worden im Rahmen, man würde heute sagen, sozialer Wohnungsbau, also ein Grosssiedlungsbau und es gab einen berühmten Architekten, dessen Namen heute noch in Berlin eine Rolle spielt, Bruno Taut, die also, Taut, T, A, U, T, die also Siedlungsbauten errichtet hatten, und meine Eltern konnten also 1931 eine frische Wohnung beziehen, erst in der Afrikanischen Strasse, so halt, die heisst heute noch so, und dann sind wir umgezogen in die Togostrasse. Und warum Afrikanisches Viertel? Sie wissen dass Deutschland, oder das Deutsche Reich eigentlich das letzte Land war, was so ein bisschen Kolonialbesitz auch haben wollte, der Deutsche Kaiser und die Deutschen Kolonien war Deutsch-Südwest, Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Togo. Und nach diesen ist um die Jahrhundertwende die Gegend hier benannt worden also die Togostrasse, die Swapokmuder, die Windhuker, Transvaal, ach was noch? Wis ich nicht, also jedenfalls, und daher der Begriff Afrikanisches Viertel. Was im Augenblick ein bisschen hier politisch umstritten ist weil, vielleicht wissen Sie es am [unclear], weil es Forderungen gibt bezüglich [clears throat] der Hereros die damals von den Deutschen Kolonialtruppen da vernichtet worden sind, man spricht so von einem ersten Genozid, den es damals gegeben hat und es gibt also jetzt Forderungen, schon seit Jahren immer an die Bundesrepublik hinsichtlich der Entschädigung und in dem Zusammenhang kommt also auch die Frage auf ob, zum Beispiel die Petersallee in Berlin oder der Nachtigalplatz oder die Lüderitzstrasse, das sind alles Begriffe aus der Afrikanischen Kolonialzeit, unbenannt werden sollen in Menschen die also in Afrika eine Rolle gespielt haben. Soweit also Afrikanisches Viertel. Die Gegend selber ist sehr schön und ist auch heute noch schön und dabei ist ein grosser Volkspark, der Volkspark Rehberge. Also wir hatten dort eigentlich eine schöne oder wunderbare Umgebung, wir waren nicht so in der Stadt drin, sie müssen sich also nicht vorstellen, mit Hinterhaüsern oder dergleichen oder enge Wohnbebauung, sondern Ziel war damals sozialer Wohnungsbau: Licht, Luft und Sonne. Punkt.
PS: Wissen Sie überhaupt, wissen Sie ob es zu der Zeit, ehemalige, sagen wir, Kolonialafrikaner im Afrikaviertel lebten, ob also Herero oder andere da lebten oder ob das nur ernannt worden ist aus kolonialen.
HD: Nein. Nur in Erinnerung an das Kolonialreich, ich habe da zu der Zeit keinen farbigen Menschen gesehen, das einzige was man mal als Kind sah das war der berühmte Sarotti-Mohr, wissen Sie was’n Mohr ist, sagt Ihnen das was?
PS: Ja.
HD: Also, der Sarotti-Mohr, sa heisst also das Label der Schokoladenfirma und das haben sie glaub ich heute noch aber es ist auch umstritten und da gibt’s in Berlin die Mohrenstrasse aber das geht auf die Preussische Geschichte zuruck. Man wollte wohl um die Jahrhundertwende hier der, es gibt einen Zoomenschen, Zoo Erfinder in Hamburg, Herr Hagenbeck, der wollte hier in Berlin so einen, wie soll ich sagen, so eine Art, grossen Zoo, afrikanisches Leben hierherbringen, mit wilden Tieren, mit Elefanten undsoweiter, aber durch den Ersten Weltkrieg ist es nichts geworden und dann ist ja Deutschland auch die Kolonien losgeworden im Versailler Vertrag und ich glaube England und Frankreich sind dann an die Stelle getreten.
PS: Jetzt Moment zurück zu Ihrer familie.
HD: Ja.
PS: Wie war Ihre Wahrnehmung des Nationalsozialismus in der Familie? Sprachen Ihre, also sprach man darüber? Als kleines Kind hörten Sie dass Ihre Eltern darüber diskutierten und sprachen? Wie war also die, sagen wir, die Atmosphäre in der Familie?
HD: Also die Atmosphäre war so wie ich ja Eingangs schon schilderte, mein Vater war nur durch seine Berufstätigkeit nicht parteilich, also sagen wir mal, im weitesten Sinne ein Nazi, sondern der hat die Sache sehr nüchtern gesehen und ich kann mich erinnern immer, das wenn der Grossvater auch kam, dass dann die Männer vor dem Radio auch standen während des Krieges und sagen wir mal den Frontverlauf verfolgten. Ich glaub auch sogar dass wir eine Landkarte hatten wo, mit bestimmten Nadeln mit roten Punkten oder weiss ich wie, der Frontverlauf skizziert wurde. Und ich werde immer einen Satz nicht los den mein Vater wohl sagte: ‘Wir verlieren den Krieg’ und vielleicht auf die Frage ‘Warum?’, ‘Wir haben kein Öl’, oder ‘es liegt am Öl’. Das ist mir erst im Nachhinein natürlich klar geworden warum dann die Wehrmacht unbedingt also bis zum Kaukasus vordringen wollte oder bis zu den Ölfeldern, das war mir damals als Kind natürlich nicht so klar, was das zu bedeuten hatte aber so ist die Atmosphäre ungefähr gewesen. Mein anderer Onkel erzählte immer, davon des, der war im Geschaftsleben hier tätig, der ist nicht eingezogen worden weil man ihn brauchte und der hatte wohl Verbindung zu Wehrmachtsangehörigen und der horte mal irgendwie mal eine Geschichte wo dann doch davon die Rede war es müsse also Lager geben in Deutschland wo die Menschen also drangsaliert wurden, zum Beispiel die Juden, hier in Berlin und also, warscheinlich war Auschwitz gemeint oder Birkenau und jedenfalls beim Bier ist dann wohl mal ein Wort gefallen und er erzählte dann auch in der Familie und das habe ich mitgekriegt, das er Schwierigkeiten kriegte weil irgendeiner gesagt hatt: ‘Na, Herr Draegert, sie erzählen da aber Greuelmarchen. Sowas gibt es nicht’. Und der hat wohl lange ringen müssen aber weil er wichtig war, der war Leiter eines Betriebes hier in Berlin, ist er irgendwie mit einem blauen Auge davongekommen und als man ihn dann, und das war ganz spannend eigentlich, das habe ich als Kind natürlich dann bewusst mitgekriegt, als man ihn dann vorlud, jetzt zu einem Büro der Gestapo 1944, ist er am selben Abend am Kaiserdamm, wo er wohnte, ausgebombt worden, dass heisst also, die Bombe schlug so ein dass sie die Vorderfront des Hauses wegriss und wenn man auf dem Kaiserdamm stand, dann konnte man sogar noch die Lampe hängen sehen, und die hängt jetzt heute noch bei mir, jetzt konnte man sagte, da hatt er sich eine schöne Geschichte ausgedacht, nein, die stimmt aber wirklich. Aber der Witz, oder sagen wir man, das Glück für ihn war, dass er nun bei dem angegebenen Termin sagen konnte: ‘Meine Herren, ich bin heute ausgebombt, ich muss mich erstmal um meine Sachen kümmern’. Und da hat man ihn praktisch ziehen lassen, und er ist mit einem blauen Auge davongekommen. Also will sagen, und der dritte Onkel, der sass in Russland, der war dort und weil er früher Bankbeamter war, musste er da irgendwie auch so einen Betrieb leiten oder so, der ist aber durch den Rückmarsch so gekommen dass er in Liepzig in Amerikanischer Gefangenschaft geriet und dadurch auch den Krieg überlebt hat und glücklich war das er nicht in Russische denn das hätte anders ausgehen können, nicht, der war in Berdytschiw in der Ukraine, und da weiss man nicht wie, wie mann dann mit ihm umgegangen wäre. Also, will damit sagen, es war eigentlich eine sehr entspannte Atmosphäre, ich kenne keinen bei uns in der Familie der also mit’na SA Uniform oder sowas rumrannte. Lediglich, ach so, das muss man vielleicht sagen, mein Vater der war im Betrieb, die hatten hier so eine Art Betriebsorganisation, ich weiss nicht mehr wie das hiess, jedenfalls so wie in der DDR gab es so eine Art Werkschutz, und die hatten eine Uniform, und diese Uniform hängt bei uns immer im Schrank. Und nun war mein Vater längst Soldat, er stand also an der Küste Dänemarks und am Skagerrak und gab, hat nie in seinem Leben einen Schuss ab, also der hat Schwein gehabt, er war bei der Kriegsmarine und diese Uniform hängt nun in unserm Schrank und als nun die Russen einzogen in Berlin und man ja nicht sicher war dass die also Wohnung für Wohnung durchsuchten und sagen wir mal nach irgendwelchen Schätzen suchten, wusste man schon, das sprach sich schnell um, wenn die so eine Uniform sehen, dann denken die, Uniform ist Uniform, dann wird derjenige auf der Stelle erschossen. Und meine Mutter nahm rechtzeitig die Uniform, rollte sie zusammen und vesteckte sie im Keller unter den Kohlen, wir hatten noch Ofenheizung, und der Keller war mit Briquettes voll, und da wurden diese militärischen Sachen versteckt. Auch ein Hitler Bild kann ich mich nicht erinnern hatten wir nicht zu hängen, obwohl ich das natürlich von der Schule her kannte, da hingen natürlich überall die Bilder. Also dieses, zu dem Thema Familie. Also Punkt an der Stelle und Sie fragen vielleicht von derweise weiter.
PS: Ja, ich muss sagen, Ich wäre sehr daran interessiert mehr über, seis über ihren Bruder bei der Flak zu hören,
HD: Ja.
PS: Und spater auch über ihren Vater, auch das Thema der Gefangenschaft in Leeds.
HD: England, in Leeds, ja. Also, mein Bruder, wie gesagt, war Luftwaffenhelfer, der ist also, mit fünfzehn, das muss ja ’43 gewesen sein, ’43, wurden die eingezogen, der kam dann plötzlich mit einer Luftwaffenuniform die ihm etwas zu gross schien, also ein, eigentlich ein jämmerliches Bild. Die ganze Klasse ging also aus der Schule raus, wurde in einen anderen Stadtteil, hier in Berlin Tegel, verlagert, dort war eine sogenannte Batterie, und da standen also Luftabwehrgeschütze, Flak nannte man das damals, und auch das Kaliber weiss ich natürlich heute noch, vieles vergisst man aber so’ne Dinger hat man natürlich sich gemerkt, Kaliber 10,5. Und mein Bruder war dann eingeteilt für das sogenannte Funkmessgerät, FuMG wurde das damals abgekürtzt und ich vermute das es so eine Art Vorlaüfer des Radars gewesen, der sass also in so einer Kombüse und hatt dann den Nachthimmel irgendwie beobachtet, heranfliegende Flugzeuge und die Ortung und die anderen Kameraden, die standen neben der Flak und mussten dann auf Grund seiner Anweisung oder Hinweise die Flak ausrichten und wenn dann die Flugzeuge nachts kamen, dann schossen sie also in den Himmel, da war ich natürlich nicht bei aber am Tage, als ich die Batterie besuchen durfte, da erinnere ich noch wie um das Kanonenrohr immer weisse Streifen gemacht wurden, das war also der sogenannte Abschuss. Bei meinem Bruder war es aber nur so, das der da [unclear], das der nun Funk hörte, weil Funkmann war er im Funkmessgerät, hörte der natürlich wie eingangs erwähnt, auch den Britischen Sender und dann den Soldatensender West, den Deutschen Sender. Dass heisst also der war für seine fufzehn, sechzehn, siebzehn Jahre sehr informiert und wenn er hier bei uns zu hause war, dann hörten wir natürlich auch über den Rundfunk hörte er dann und wir mussten immer ganz vorsichtig sein, das darf der Nachbar nicht mitkriegen, und dieses berühmte Trommelzeichen von BBC, das war ja etwas durchdringend, also da musste man schon genau hinhören, aber mein Bruder wusste also wie es geht. Aber dann kam die schreckliche Situation, dass die ganze Batterie anschliesslich Lehrerpersonal nach Jugoslawien versetzt wurde und dann haben wir abends, im Lichterschein der trüben Laterne, es war ja alles abgedunkelt, mussten wir nun zugucken wie die Jungs an einem langen Strick die Kannonen zogen auf Plattenwagen der Eisenbahn und dann fuhren die bei Nacht und Nebel also Richtung Jugoslawien ab und die Mutter weinten natürlich bitterlich und die Jungs machten auch keinen Eindruck dass man das Gefühl hatte, jetzt geht’s in ein grosses Abenteuer. Also mein Bruder war Flakhelfer in Jugoslawien und daher weiss ich nur, kannte ich nur den Begriff der Partisanen, dass heisst also die Jungs waren von Anfang an darauf getrimmt nur im Block zu gehen, nicht alleine, es bestand immer die Gefahr möglicherweise aus dem Hinterhalt irgendwie von Partisanen angegriffen werden. Mein Bruder kam auch zu uns nach Schlesien, also man muss sich vorstellen, so ein sechzehnjähriger, heute, ich weiss nicht wie ein Vater heute denkt, wenn so ein sechzehnjähriger also nur durch die Weltgeschichte fährt, ob er nicht Angst hat. Der fuhr dann durch Halb Europa mit den sogenannten Soldatenzügen oder Urlauberzügen und kam auch nach Schlesien und erzählte immer voller Interesse und wir lauschten natürlich wenn er, sagen wir mal, fuhr ohne Genehmigung, offensichtlich hatte er da den Mut gehabt, ich weiss es nicht mehr so, aber es muss so, leider ist er tot, er kann’s mir heute nicht mehr bestätigen, aber er war also in der Hinsicht mutig, das er sich dann im Kloh des Eisenbahnzuges einschloss wenn die sogenannten Kettenhunde, die habe ich auch erlebt als Kind wenn wir nach Schlesien fuhren, das sind immer Soldaten mit irgendwelchen Schildern auf der Brust, mit’m Stahlhelm auf und so, das müssen wohl SS-Leute gewesen sein, die die Züge kontrollierten und von irgenwelchen Männern natürlich wissen wollten, warum sind die im Zug, haben sie einen Urlaubsschein, müssen sie irgendwo hin oder wie geht das. Also mein Bruder war da sehr couragiert, der hatt das überlebt, kam dann zum Schluss noch nach Prag. Prag war ja so ziemlich lange noch von der Wehrmacht besetzt und der Krieg da war wohl relativ harmlos, hat sich aber dann doch nach Westen dann, also Richtung Deutschland wieder zurückziehen können oder mit der ganzen Truppe, hat es sogar bis Berlin geschafft und nun kommt das besondere: Ende Oktober endete seine Luftwaffenzeit und diese Jungs waren alle vorgesehen für den Offizierslehrgang. Und mein Bruder mit seinem Wissen wusste genau, also wir müssen sehen das wir überleben wie auch immer. Und ich weiss auch dass seine Kameraden zum Teil, da waren welche bei, die bis zum Schluss den Führer verteidigen wollten und die Klasse hatte grosse Verluste. Will sagen, mein Bruder war so pfiffig das er für zwei, drei Monate untertauchte, aber bevor es soweit war, kam sein Batteriechef, also ein Luftwaffenoffizier zu ihm, wieder auf ihn zu und sagte: “Draegert, Sie müssen sich jetzt für eine Einheit entscheiden, wo Sie hin wollen, als Offiziersanwärter. Wenn nicht, dann werden Sie entschieden’. Und wir werden nun dann nachhinein wissen landeten so ne Jungs bei der Waffen-SS, so mindest karteimässig. Und also er ist auf Grund dieser Empfählung dieses Offiziers hatt er sich für die sogenannten Lenkwaffen entschieden, was immer das sein mag, jedenfalls die Lenkwaffenabteilung lag in Giessen und das muss wohl so gewesen sein und so hatt’s mir mein Bruder bestätigt, das Schreiben ist entweder nie angekommen oder aber, und das war seine Vermutung, Giessen war bereits von den Amerikanern besetzt. Das heisst also dieses Thema hatte sich erledigt was aber noch lange nicht bedeutete, dass er jetzt hier in Berlin sicher war. Und ich weiss auch das Nachbarn nachfragten, warum ist Ihr Sohn nicht an der Front bei meiner Mutter, weil meine Mutter sehr sehr ängstlich war und mein Bruder tauchte auch nicht mehr bei uns auf, der hatte irgendwelche Hilfsdienste am Bahnhof mitgemacht, also Koffer schleppen und Betreuung von Flüchtlingen oder solche Geschichten, irgendwie hatte er es geschafft, bis zum Einmarsch der Russen. Und hatt überlebt und war ein ausgesprochen, wie soll ich sagen, konnte mir der Situation offensichtlich so umgehen, dass er in erster Linie an sich dachte und nicht an den Führer, wen ich dass so formulieren darf, er hat dann, das Glück oder Unglück die Russen suchten bei uns im Keller einen jungen Mann der gut sprechen konnte, artikulieren konnte. Das er nun Soldat war haben sie nicht gesehen seine Klammotten alle entsorgt mit seiner kurzen Hose oder wie auch immer und mein Bruder wurde dann von den Russen in Anspruch genommen und zog dann mit denen hier mit einen Lautsprecherwagen durch unsere Wohngegend und dann praktisch der erste Befehl über Rundfunk, nicht über Lautsprecher, ertelit wurde, dass heisst die Menschen wurden aufgefordert die Enttrümmerung vorzunehmen, die Strassen zu saübern undsoweiter und sofort. Meine Mutter hatte wahnsinnige Angst um ihn, dachte jetzt ist so in letzter Minute aber er hatt es überlebt und er hatt auf Grund dieser Erfahrung dann später sogar den Kontakt zum Rundfunk gesucht und hatt dann eine Lehre beim Berliner Rundfunk in Berlin angetreten, im Jahre 1948, ’47 glaub ich, ’47, ja. Ja also, das war mein Bruder. Jetzt wollten Sie noch wissen von meinem Vater.
PS: Ja, also eben, ein bisschen wenn Sie sich etwas erinnern an sagen wir seine Kriegserfahrung, die Zeit wo er eben in Dänemark war und auch etwas erzählt hatt von seiner Gefangenschaft in England.
HD: Ja. Also der sass in Friederickshavn, das ist oben die nördlichste Spitze von Dänemark, er war Marinesoldat ist aber nie auf einem Schiff gewesen, auf Grund seiner Tätigkeit als Bankbeamte war er, sass er, wie es so schon hiess, in der Schreibstube, hatte also immer einen Verwaltungsjob und erzählte halt von irgendwelchen Situationen wo er oben an der Küste stand, er musste auch mal Wache schieben aber da passierte wohl nicht viel. Und ich erinnere, oder wir erinnern uns noch an die Zeit als wir aus Dänemark Packete auch kriegten, dass heisst die Möglichkeit bestand wohl damals auch für die Soldaten dort regelrecht einzukaufen, ich kann mir vorstellen das der das beschlagnahmt wenn sowas hat und schickte uns nach Schlesien also irgendwelche Lebensmittel, das muss wohl prima haben wir ja nun mitgekriegt das in Sachsenhausen, im KZ, die Dänische Währung kopiert wurde und so, die Dänische Wirtschaft unterlaufen wurde, warscheinlich sind die Soldaten mit diesen Geld bezahlt worden und mein Vater lebte da im Prinzip sicher. Jetzt war der Krieg zu Ende, und wenn ich ihn richtig erinnere sind die Engländer gar nicht bis da oben gekommen sondern die Wehrmacht hat kapituliert und die sind mit Sack und Pack von Friedrichshafen durch Dänemark gerollt, mehr oder weniger unangefochten, Richtung Schleswig-Holstein und sind dort von den Briten in Empfang genommen worden, sind dann erstmal nach Belgien weitergeleitet worden. Dort in Belgien hatt er schlechte Erfahrungen gemacht, die Belgischen Menschen sind über die Deutschen Soldaten natürlich hergefallen, haben sie geschlagen und bespuckt, also sowas erzählte er, nun wenn man die Geschichte mit Belgien kennt hat man beinahe schon Verständnis dafür. Also jedenfalls Belgien war nicht gut und sie sind dann verladen worden über den Kanal nach England.0 Und dort war er also Prisoner of War und wieder landete er in einer Schreibstube und war zum Schluss irgendwie Stellvertretender Lagerleiter oder in sowas. Also dem ging’s da, unter allen Umständen, soweit menschlich einwandfrei, ich habe nie ein böses Wort gehört aus der Richtung. Er hatte auch Kontakt mit irgendeiner Englischen Familie in Leeds, aber was daraus geworden ist das weiss ich nicht. Jedenfalls 1947 kommt mein Vater mit einen Riesenseesack hier in Berlin-Grunewald an, mit einen grossen Flüchtlingstransport und die kam auch nicht mehr im Güterwagen an sondern die hatten dann schon ’47 fuhren sie also doch etwas menschlich mit normalen Personenwagen. Mein Vater stieg aus dem Zug, er sah gut genährt aus, also ein Bild des Friedens und für viele Leute doch überraschend, weil man ja die andere Seite kannte. Noch kam ja noch gar nicht so viel aus der Sowjetunion, die blieben ja bis ’55 da. Also, und mein Vater brachte nun Sachen mit aus England in dem Riesenseesack die wir natürlich heiss ersehnten, zum Beispiel Cadbury, seitdem weiss ich was Cadbury ist. Ich weiss nicht ob es heute noch gibt die Schockoladenfirma.
PS: Ja, ja.
HD: Und das zweite war, was ich erinnere war, eine grosse Büchse Nivea, im Nachhinein stellte sich heraus, also Nivea in Hamburg ist wohl erhalten geblieben und hat erstmal für die Engländer produziert, jedenfalls brachte er eine Büchse Nivea mit, und Koffee vor allen Dingen und Tee. Also es war ein Fest des Friedens, meine Mutter war glücklich und im Nachhinein, aber das gilt nicht für mein Vater, wir haben im Umfeld so ein Paar Leute die sind in England geblieben. Also es muss auch Situationen gegeben haben wo, wenn sie keine Familie hier hatten und dort Anschluss fanden in England, offensichtlich sogar in Grossbritannien geblieben sind, also will sagen unter’m Strich mein Vater hat Glück gehabt. Ist nach Berlin zurückgekommen, als Bankbeamter im Westteil der Stadt gab es keine Arbeit mehr, dir Banken waren alle verstaatlicht, beziehungsweise sind aufgelöst worden von den Russen, es war ja hier alles anders. Und langsam entwickelte sich erst die Differenz zwischen Ost und West, Westberlin, Ostberlin und er musste also andere Tätigkeiten ausüben und er ist 1950 kehrte er wieder in das Bankgeschäft zurück, in die Zentralbank also die eine Unterabteilung der Bank der Deutschen Länder war, und später Deutsche Bundesbank in Frankfurt-Main. Aber seine alte Bank, bei der er bis zum Schluss tätig war, bis also, [unclear], ’43, die gab’s nicht mehr, die wurde ja aufgelöst und die war dann später in Frankfurt-Main und da ist er natürlich nicht hingezogen. So, das war mein Vater.
PS: Hatte er Ihnen, also das war, er war in der Gegend von Leeds.
HD: Ja.
PS: Hat er Ihnen irgend, haben Sie noch irgendwelche Erinnerungen das er Ihnen etwas noch erzählte von dem Gefangenenlager wo er war oder etwas das Ihnen so einfällt?
HD: Der war zuständig für die, für irgendwie das Kraftfahrkorps, irgendwie für die Lastwagenverteilung und Organisation von Transporten undsoweiter. Ich hab natürlich aber da müsste ich mal suchen, ich habe sogar noch seine Personalakte die er mitgebracht hat und wir haben mal, oder meine, mein Neffe der lebt jetzt bei London und die haben mal im Englischen also in dieser Organisation nachgeforscht und haben die Unterlagen gekriegt. Alos, wir wissen wie der Fragebogen aussah, aber das werden Sie ja auch alles haben. Nicht, also was er beantworten musste, in welchen politischen Organisationen er war oder nicht war, das haben wir alles, aber aus dem Lager selber. Es war, vielleicht war er auch vorsichtig um, sagen wir mal, nicht den Eindruck zu erwecken, vielleicht manchmal ist er so in Gedanken gekommen, das der eine oder der andere gar nicht so scharf war wenn er zum Beispiel keine Familie hatte nun in das kaputte Deutschland zurückzukehren, wenn er in England eine Möglichkeit des Lebens sah. Bei meinem Vater war das nicht so, der wollte nach Hause natürlich, der wollte uns ja wiedersehen. Familie ist ja gottseidank intakt geblieben, wir haben also auch wenig Kriegsopfer in der Familie gehabt, alle habense irgendwie Schwein gehabt. Ja, nee also, mehr aus dem Gefangenenlager kann ich Ihnen nicht sagen, ich weiss nur dass mein anderer Onkel, der war in Frankreich dann bei den Amerikanern im Gefangenenlager und als die mitkriegten, die Amis, dass der Musiker auch nebenbei war, haben sie ihm ein Cello gegeben und der hat die Gefangenenkapelle organisiert. Also auch der kam eigentlich zurück mit einem sehr offenen Verhältnis zu den ehemaligen Kriegsgegnern.
PS: Ja, dann, jetzt ein bisschen zurück zu Ihnen.
HD: Ja.
PS: Wie, was, welche Erinnerungen haben Sie von der Zeit in der Sie in Breslau evakuiert waren, auf dem?
HD: Bauernhof.
PS: Ja, auf dem Bauernhof Ihres Onkels, wenn ich mich nicht irre.
HD: Ja, ja, der war da Gutsinspektor, wie man das nannte, und da habe ich natürlich die besten Erinnerungen. Weil, ich konnte dann auf dem Trekker mitfahren, ich habe gesehen wie Viehhaltung war, das funktionierte aber, Sie interessieren sich ja für die politischen Dinge, da weiss ich nur eins: das ich meiner Mutter Ärger bereitet habe, warum? Ich bin dort natürlich in die Schule gegangen und die Lehrerin in der Dorfschule die war eine stramme Parteigängerin, sie trug auf ihrer Bluse immer das grosse, relativ grosse Parteiabzeichen, das erinnere ich, und nun kam ich als Berliner in diese Dorfjugend. Und die Jungs die waren natürlich neugierig oder man, mutmass, ‘na, der kommt aus Berlin’ undsoweiter, und da ich hatte wohl zu der Zeit eine ziemlich grosse Klappe, wei man heute sagt, das heisst also als Berliner sowieso und ich erzählte wohl immer lustig von den Bomben in Berlin, zum Beispiel das wir Bombensplitter gesucht haben. Wir Berliner Jungs, jeder hatte eine Zigarrenkiste hier und wenn der Angriff vorüber war am nächsten Tag, dann ging man über die Strasse wenn in der Gegend was eingeschlagen war und man suchte Bombensplitter. Da hatte man einen ganzen Kasten voll und das tauschte man aus, also solche Sachen. Oder diese Kondensstreifen, weiss nicht ob Sie wissen was das ist, die Engländer die warfen so’n Streifen ab, die waren aussen Schwarz und innen silberig, die sollten das Funkmessgerät meines Bruders praktisch irritieren. Und die Dinger landeten wie so’n leichter Regen oder Schneefall auf der Strasse und die sammelten wir ja ein, das sollte man immer abgeben aber das haben wir natürlich nicht immer gemacht. Und diese Geschichten, und von den Bomben und so, wichtigtuerisch, wie man als Kind ist, muss ich wohl erzählt haben. Jedenfalls kam dann, eines Tages, entweder war es der Dorfgendarm oder der Parteimensch aus dem kleinen Dorf zu meiner Mutter oder bestellte sie ein und ermahnte sie, sie solle doch ihr Erziehungsauftrag wahrnehmen, denn der Junge erzählt hier defätistische Sachen. Ja, das hat er nicht zu machen, das hat er zu unterlassen. Also nun kam meine Mutter und dann kam der Onkel dazu, der hatte zwei Jungs die waren im Krieg, an der Front und der sagte: ‘Um Jottes willen erzähl ja nicht wat, det gibt nur Ärger!’. Also, mir, ich kriegte als Kind den berühmten Maulkorb verpasst, des war so’ne Sache. Am sonsten war natürlich, im Nachhinein ist es mir erst auch deutlicher geworden, das wir auch Fremdarbeiter hatten und in der Gegend waren es natürlich überwiegend Polen, die dort auf dem Gut arbeiteten, die waren aber normal untergebracht, ich kann mich nicht erinnern dass sie in irgendeinerweise jetzt drangsaliert wurden. Ich hatte sogar einen Polnischen kleinen Jungen mit dem ich spielte, also das war für mich, also dieser Gegensatz, Deutsche Polen und so war da nicht spürbar. Habe ich nicht erlebt, ja wir waren da also ganz friedlich. Ich habe übrigens jetzt nach vielen Jahren den Weg da zweimal angetreten nach Breslau und hab die alten Stätten besucht, hab auch das Haus wieder gefunden aber ich konnte mich leider nicht so verständlich machen was ich eigentlich wollte, ich wollte eigentlich nur wiedersehen und eigentlich mit den Leuten die jetzt da wohnen ein Versöhngespräch oder überhaupt ein Gespräch führen aber ich hatte dafür, die waren abständig, zurückhaltend, vielleicht im Hinterkopf den Gedanken, der will da einen Anspruch gelten machen oder was, hatte ich ja gar nicht und sie würden die Bude nicht [unclear], ja, bloss es war ein Stück Erinnerung und ein Stück Heimat. Und da meine Mutter aus Schlesien kommt, habe ich ohnehin mal das Gefühl, ich müsste unbedingt mal nach Breslau, ich bin, vielleicht wäre vielleicht auch ein guter Schlesier geworden. Also eine gewisse, ein gewisses Interesse für die verlorenen Gebiete im Osten. Ja, das war also so in Juliusburg, am sonsten sagte ich ja auf dem Bauernhof und das Leben war absolut friedlich. Ach, eins vielleicht noch, das fiel mir, das erinnere ich auch, da kamen mal die beiden Jungs von den Gutsverwalter, der eine war bei der SS, der andere war bei der Luftwaffe, und ich vermute also dem Gespräch nach waren die an der Ostfront, das heisst also in Russland, und mich schmissen sie aus dem Zimmer raus, also die müssen irgendwelche Geschichten erzählt haben, die nicht für Kinder ungeignet waren. Ergebnis war nur, nachdem auch meine Mutter den Befehl kriegte, in der Umgebung Schützengraben zu ziehen, also aussschöppen, Ende ’44. Muss man es mal überlegen, also die Kriegsheeresführung wusste was auf sie zukommt, aber der Bevölkerung der ist es nicht gesagt worden, und meine Mutter musste Schützengraben ausheben. Und da kam das Gespräch auf Onkel August, so hiess der Onkel, der sagte eines Tages mal: ‘Na ja, also, es macht kene Jedanken, wenn die Russen kommen, dan gehen wir über die Oder’, wir waren also, wenn mann jetzt flussabwärts blickt, waren wir rechts der Oder. ‘Dann gehen wir nach links auf die linke Seite in Breslau, und dann’, und der Satz der ist mir im Ohr geblieben, ‘dann hauen wir die Russen zurück’. Na ja, wie es ausgegangen ist wissen wir. Wir haben den Kontakt nach dem Krieg nie wieder aufnehmen können, ich weiss nicht ob die Familie es überlebt hat, was aus den Jungs geworden ist und der Gedanke nun mit den Leuten darüber mal zu reden und so ein bisschen Vergangenheitsbewältigung zu machen, der ist leider gescheitert, ich hatte den Eindruck, die wollten nicht, und, na ja, kann man nichts machen. Also, das zum Thema Schlesien.
PS; Also, ich wollte Sie, wir sind also fast zu Ende, nur noch ein Paar, ein Paar Fragen.
HD: Ja.
PS: Sie hatten mir erzählt das Sie mit Ihrer Mutter Zeit im Bunker verbracht haben.
HD: Ja.
PS: Das war noch in Berlin.
HD: Das war in Berlin, ja.
PS: Welch Erinnerungen haben Sie? Also Sie waren nur mit Ihrer Mutter? Waren da auch andere Familien? Wo war dieser Bunker?
HD: Der Bunker war hier in der Müllerstrasse, also kennen Sie Berlin, sagt Ihnen das überhaupt was?
PS: Ja. Ja, ja.
HD: Ja. Also, Müllerstrasse, das ist so im Nordwesten und das ist ein grosser Strassenbahnhof gewesen, der hatt den Krieg auch überstanden, da ist wenig oder gar nichts kaput gegangen und unter den Hallen der Strassenbahn, da ist während des Krieges dieser Bunker gebaut worden. Zwar ein Tiefbunker und in den musste man dann durch die Bunkerschleusen, diese riesen Eisentüren, vorne war die Luftschutzwarte, die hatten immer so einen besonderen Helm auf und irgendwie Gasmasken umgehängt, das war immer sehr martialisch und da sind wir durchgewackelt und da wurden uns die Raume zugewiesen und da lagen, waren da Pritschen so auf, die Luft war so wie im Bunker so ist, und man sass still und wir Kinder schliefen, und morgens da gab’s auch kein Fruhstück im Bunker oder so was sondern dann wenn die Sonne oder wenn das Licht wieder da war dann, wie gesagt, wurden wir dann geweckt und standen wieder auf und gingen zurück und wir hatten also einen halben Kilometer Weg ungefähr zu hinter, zu absolvieren und dann die Frage: steht’s oder steht’s nicht? Man merkte das im Bunker nichts, kann mich nicht erinnern das man irgendwie, das der Bunker gewackelt hat, wenn da die Bomben einschlugen oder was. Wie gesagt, bei uns im Norden in dieser Ecke, im Afrikanischen Viertel, waren die Schäden nicht so gross. Die Gegend war also nach dem Krieg relativ schnell enttrümmert oder entrümpelt oder die Strassen wieder zugänglich, wir hatten da also ein gewisses Glück muss ich sagen. Erst wenn man dann mal später in die Innenstadt fuhr, dann sah mal eigentlich, das wahre Ausmaß der Zerstörung, da oben war es nicht. Wir hatten ja die grosse Kaserne neben uns, die damals hiess sie Hermann-Göring Kaserne, war eine Luftwaffenkaserne die für uns beim Einmarsch der Russen natürlich die Quelle für Nahrungsmittel war, plötzlich war keine Kontrolle mehr da, die Menschen, wir stürmten also in diese Kaserne und die Läger waren voll mit Lebensmitteln und mit, ich bin durch Kaffebohnen gewatet, oder waren’s Erbsen, jedenfalls wir nahmen mit was wir mitnehmen konnten und raümten da aus und dann zog ja erst die Briten ein. Denn Berlin war ja erstmal von den Russen ganz besetzt, dann kamen im Juli die Amerikaner und die Briten nach und der spätere Französische Sektor wurde ja erstmal Englisch. Die Franzosen kamen ja erst im August zu uns. Und die Engländer haben sich dadurch beliebt gemacht bei uns, das es hiess, neben der Kaserne werden auch unsere Blöcke für die Soldaten benötigt und es bestand die Gefahr, das wir aus den Wohnungen müssten. Es ist aber Gottseidank dann nicht eingetreten. Aber eine zweite Sache erinnere ich noch, die Engländer forderten auf die Leute sollen ihre Klaviere abgeben. Und wie meine Mutter das geschaft hat, das sie die Leute also entweder keine Angaben gemacht hatt oder was, wir haben unser Klavier behalten. Vorher hatten die Russen ja schon unsere Radios abgeholt oder mussten wir abgeben, Telefone mussten wir abgeben und, wie gesagt, das Klavier haben wir ja behalten und die Engländer haben also darauf verzichtet, uns da zu vereinnahmen. Aber dadurch das die nebenan in der Kaserne waren, muss wohl das Starkstromkabel bei uns immer durchgegangen sein, jedenfalls wir hatten, trotz aller Stromsperren und dergleichen Dinge, hatten wir eigentlich während des ganzen Krieges und auch danach immer Strom. Jetzt war die Frage, Strom wurde kontingentiert, man durfte ja nicht so viel, Kraftwerke gaben das ja gar nicht her. Und nun war wieder mein Bruder, der da beim Militär pfiffig wurde und man fand dann Möglichkeiten um den Zähler zu überbrücken. Oder viele Leute gingen dann abends in den Keller um sich was warm zu machen, auf Kosten des Hauses, and die Leitung der Kellerbeleuchtung rangehen, all solche Geschichten nicht. Also, insofern, viele Erinnerungen auch an die Briten und dann, wie gesagt, kamen die Franzosen, insofern haben wir alle drei Besatzungsmächte kennengelernt.
PS: Hatten Sie Angst als Junge in den Bunker, ich meine, können Sie sich erinnern an die Gefühle die Sie hatten?
HD: Neine, ganz im Gegenteil, das war sicher. Der Bunker vermittelte das Gefühl der Sicherheit. In dem Bunker hatten wir keine Angst. Es gab ja noch den grossen Hochbunker am Bahnhof-Gesundbrunnen, da steht ja noch’n Stück, ist ja übrig geblieben weil man’s nicht sprengen konnte wegen der Eisenbahn, und da waren wir auch mal da als wir mal aus der Stadt kamen und vom Bombenangriff überrascht wurden, gingen wir dort in den Bunker und haben dort den Bombenangriff überlebt. Das merkte man ja nicht, das Ding bewegte sich ja gar nicht, also die waren so stabil. Der Bunker bot absolute Sicherheit und wir kamen auch rein, es war ja, man hat manchmal im Nachhinein Geschichten gelesen, das Menschen rein wollten und der Bunker der war überfullt, die haben dann keinen mehr reingelassen oder so, dass habe ich nicht erlebt.
PS: Ihre Mutter gab auch nicht den Eindruck, Angst zu haben?
HD: Nö, eigentlich nicht. Na wir sind ja hingegangen weil uns die Bunker im Grunde genommen Schutz gewährten, nicht?
PS: Erinnern Sie sich an die Bombardierung des 3 Februars? Sie sprachen auch etwas von Phosphorbomben.
HD: Ja, die Phosphorbomben, dass muss in Kreuzberg, muss dass ganz schlimm gewesen sein, wo die Ritterstrasse, so hiess damals, war mit sehr viel Textilfabbrikken und Hinterhof Etagen und da ist ja also tabula rasa gemacht und ein ganzes Stadtviertel ist zerstört worden. Und wie gesagt diese Phosphorbomben mit der, mit den schrecklichen Brandschäden und wer also Phosphor, wenn die Bombe plazte und man kriegte Phosphor auf die Haut, das war ja nicht zu löschen, nicht? Unter Wasser ging die Flamme aus und kam wieder Sauerstoff ran, dann ging das wieder los. Das haben wir insofern, den 3 Februar insofern gesehen weil über Berlin, das ist eigentlich unvorstellbar, aber, eine Wolke hochging, eine schwarze Wolke, wir sind, wir konnten, wir hatten so eine höheren Punkt bei da uns Park und da konnte man und da sind wir raufgegangen als Kinder und konnten über Berlin diese Riesenwolke sehen. Da brannte ja nun das Schloss, die Oper und die ganze Innenstadt ist ja da an einem Tag kaputt gegangen. Das ist ja das was im Nachhinein für uns Leute hier unverständlich war, warum man nicht, warum das Stauffenberg Attentat zum Beispiel nicht geklappt hatt, warum man nicht längst kapituliert hatte, diese sinnlosen Zerstörungen am 3 Februar, 26. Oder Potsdam, wennse darann denken, 14, 15 April ist Potsdam bombardiert worden für nichts und wieder nichts und der Gedanke den Bomber Command ja warscheinlich hatte, ja den Willen der Bevölkerung zu brechen oder, sagen wir mal, Aufstände zu provozieren, das ist ja nicht aufgegangen wie wir ja nun im Nachhinein wissen. Die Bevölkerung ist ja nicht, wir haben ja nicht jetzt gegen die bösen Nazis geschimpft sondern der Feind kam aus der Luft, nicht? So war ja warscheinlich die Denke damals.
PS: Ja, gerade Sie haben einen, sagen wir, Anstoß gegeben auf, sagen wir, die letzte Frage und das ist eben wie Sie, wie Sie eben damals, was Sie damals dachten von den Bombardierungen und auch wie Sie das heute, siebzig Jahre spater, sehen.
HD: Ja, also, wie soll ich sagen, also?
PS: Sie hatten mir, also wenn Sie mir, hätten sie noch etwas hinzuzufügen auf das was Sie mir eben gesagt haben, wie Sie das damals sahen?
HD: Ja, na ja, ich war damals Kind, also wir waren als die, es waren ja so ungefähr, wir sind hier am 24 April befreit worden und in den letzten Tagen gab es also keine Angriffe. Ich glaube Potsdam so am 15 das war das letzte und in dem Moment wo die Bombenangriffe aufhörten und der Krieg zu Ende war, man hatte zwar andere neue Ängste, nicht? Das hing nun wieder mit der Roten Armee zusammen aber da hatte man ja doch das Gefühl, Gott sei dank, dieser Terror, wie man sagte, der Luftterror von oben ist zu Ende. Also das man nun jetzt liebevoll dachte, die Amerikanischen und Englischen Bomber wollen lediglich die Nazis beseitigen, nee, nee, nee, es waren natürlich die Verluste in der Bevölkerung und in der Substanz. Und wenn man heute nun nach Syrien guckt, wie desselbe wiedermachen, diese sinnlosen Zerstörungen, ja, also, wir, die Bombardierung hat offensichtlich den Wiederstand, ja, sogar noch gefördert, nicht? Im eingangs sagte ich ja die Klassenkameraden von meinem Bruder, da waren ja welche bei die haben ja, die wollten ja noch mit der Panzerfaust wollten die ja noch den T34 ja zerstören, nicht? [coughs] [unclear] Entschuldigung [coughs].
PS: Kein Problem.
HD: [coughs] Ja, Herr Schulze, im Augenblick fällt mir nichts weiter ein.
PS: Ja, eben, sagen wir jetzt die allerletzte Frage.
HD: Ja.
PS: Wie sehen Sie, wenn Sie zurückblicken auf die Zeit, jetzt siebzig Jahre nach dem Krieg, wie sehen Sie das, welche Meinungen haben Sie von dem, von den Bombardierungen, von den, welche Gedanken kommen Sie ihnen jetzt?
HD: [coughs] Ja, also, ein Gedanke der mich immer oder uns immer beschäftigt hatt war eben, dass die Bombardierung der Zivilbevölkerung sinnlos war. Man hatte Verständnis, oder hat bestimmt Verständnis gehabt, wenn also Bahnanlagen, Industrienanlagen, das Ruhrgebiet zerstört werden, aber nun gab’s ja tatsächlich und das ist ja durch die Politik im Kalten Krieg so ein bisschen bestätigt worden, als würden in Berlin zum Beispiel bestimmte Areale nicht bombardiert worden sein, nämlich die die unter Umständen in Amerikanischen Besitz waren also AEG am Gesundbrunnen, da ist nichts kaputt gegangen und schräg rüber die Wohnquartiere sind zielgerichtet kaputt gemacht worden. Man konnte sich das als Kind nicht vorstellen oder überhaupt nicht vorstellen das man bombardieren kann, so punktmässig. Oder dann kommt die andere Geschichte hinzu von Wiesbaden, sagt man immer, die Amerikaner haben Wiesbaden nicht kaputt gemacht weil sie wussten dass sie da eines Tages ihre Komandozentrale unterbringen und so ist also Wiesbaden nicht kaputt gegangen aber nebenan die Stadt Mainz die ist natürlich zerstört worden. Also so’ne Sachen hat man schon im Nachhinein bemerkt und gelesen und man hatte damals also das Gefühl man soll persönlich getroffen werden und das empfanden, gluab ich, viele Leute als, ja, will nicht sagen ungerecht, wir haben ja den Krieg angefangen, also von Recht kann man da nicht sprechen aber zumindest im Ergebnis nicht, hat’s nichts gebracht, ja?
PS: Und das ist auch das was Sie sagen sie auch heute denken.
HD: Das allerdings ja. Das muss man immer noch dazu rechnen, ja. Sie wissen ja, der Zeitzeuge ist der Feind des Historikers, wie man so schön heisst. Der Historiker sieht das alles aus seiner Kenntnis und der Zeitzeuge, der bringt natürlich dann immer noch persönliches mit rein. Herr Schulze, was kann ich noch für Sie tun?
PS: Ich habe, sagen wir, nur eine einzige Frage noch. Und das ist wirklich die allerletzte.
HD: Bitte [laughs].
PS: Ich habe Sie schon [unclear] in Betracht genommen.
HD: Nein, nein, das macht, ist interessant mal über die Dinge zu reden.
PS: Erinnern Sie sich ob einige Ihrer Verwandten Erinnerungen an die Zeit haben? Ich weiss nicht ob Ihre Grosseltern oder so etwas miterlebt haben. Das hatt nichts mit den Bombarderierungen zu tun, vom alltäglichen Leben in Berlin.
HD: Das alltägliche Leben, meine, also man hat normalerweise vier Grosseltern, die eine Seite, die Väterliche Seite, lebte in Moabit und da ist die Oma, die hat das mitterlebt, wenn die einkaufen ging, das die Menschen, und zwar hier die Jüdischen Mitbürger, in der Levetzow-Allee zusammen, oder versammelt wurden und dort war, stand wohl auch eine Synagoge und von dort in Kolonnen losmarschierten. Meine Oma will das gesehen haben, will das auch als tragisch oder was auch immer empfunden haben, aber es war halt so eine bleiernde Stimmung in der, das man immer sagte darüber darf man nicht reden oder man kann da auch nicht protestieren es, also meine Oma hat’s gesehen, man kann also nicht sagen wir haben nichts gewusst. Meine anderen Grosseltern, die lebten in Charlottenburg, die sind ausgebombt worden, die hatten dann eine Laube draussen in Britz, also im Süden Berlins und haben dort den Rest ihrer Tage dort verlebt. Mein Onkel, wie gesagt, ist am Kaiserdamm ausgebombt worden und hat, und die Unterlagen habe ich noch, man ging dann zum Bezirksamt und liess sich bescheinigen das man ausgebombt ist und dann kriegte man eine Unterlage und da, und den, einen Bezugsschein für ein Messer, eine Gabel, ein Kochtopf undsoweiter. Und man musste auch aber gleichzeitig eine Verlustanzeige machen und da gibt’s dann natürlich nur die bösesten Geschichten, also bei meinem Onkel steht auch das er zwei Perser Teppiche bei sich hatte und meine Tante hatte einen Edelpelz und irgendwelche Leute haben mir dann mal ausgerechnet, sowiel Perser Teppiche hatt’s auf der ganzen Welt nicht gegeben wie plötzlich nach den Bombenangriffen hier bemängelt worden. So wie wir es ja auch erlebt haben wenn man unterwegs als Turist bestohlen wurde, weiss ich, irgendwo, und Photoapparat weg, dann war das bei der Polizei, immer eine Leika nicht, und immer ein bisschen höher wert, ja. Also, diese Sachen, an die erinnere ich mich natürlich. Und vor allen Dingen wie mein Onkel, der nun Betriebsleiter war und hier mit den Russen auch seine Schwierigkeiten hatte, dann seinen eigenen Betrieb abbauen musste, weil das dann nach Russland alles transportiert wurde, das war schon, aber das ist ja nicht jetzt Ihr Thema.
PS: Gut also, ich, das war alles sehr sehr sehr interessant, was Sie mir erzählt haben und ich würde jetzt damit aufhören, ich glaub ich habe Sie schon genug in Betracht genommen.
HD: Sie können jederzeit wieder anrufen wenn Ihnen etwas einfällt.

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Citation

Peter Schulze, “Interview with Hubert Draegert,” IBCC Digital Archive, accessed April 19, 2024, https://ibccdigitalarchive.lincoln.ac.uk/omeka/collections/document/2012.

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